Hallo liebes Forum,
stelle euch hier einen, meiner Meinung nach, traumschönen "Claret Jug" - (Rotwein-)Decanter - von WMF um 1900 in gebrauchtem, tlw. beriebenen, aber dennoch sehr guten Originalzustand vor.
Gepunzt wurde zeittypisch für die WMF mit "WMFB" (Britannia Metal), "I/O" für die Versilberung und "as" für die Antiksilber-Optik.
Maße: H 240 mm (Deckel zu) x d 175 mm, Leergewicht 1235 g, Inhalt ca. 1,6 L (3 pints).
Zunächst die Punzierungen:

- WMF_No348_Punzen.jpg (32.66 KiB) 5057 mal betrachtet
Im WMF-Katalog von 1906 ist dieser beschrieben als:
"No. 348. Claret Jug 3 pints
finally engraved & cut crystal glass,
silver plated, I/o quality, Old Silver finish, 36/- each"
Wie schon in früheren Beiträgen erwähnt, bin ich bekennender WMF-AS-OX-OXYDATED-OLD-SILVER-IM-ORIGINALZUSTAND-Jäger und -Sammler - und habe kürzlich wieder eines dieser sehr seltenen Stücke ergattert...
Kann immer nur wiederholen, wie selten es ist, nach über 100 Jahren WMF-as/OX-Stücke zu finden, welche sich noch in der Originaloptik befinden, weil, zum Glück, niemand in den vergangenen Jahrzehnten auf die Idee gekommen ist, das Stück mit "Silberputzi" einmal richtig aufzupolieren.
Gerade bei Gebrauchsgegenständen, welche mit Flüssigkeiten in Verbindung waren - Kannen, Bechern, Kelche, Saucieren, dazugehörige Tabletts, etc. - ist es die berühmte Suche nach der Nadel im Heuhaufen, da diese immer wieder gebraucht, verschmutzt, gereinigt und aufpoliert wurden.
Daher möchte ich hier auch nochmal einen Aufruf loswerden, der sich in erster Linie nicht an die Profis hier im Forum wendet, sondern an die vielen Laien, die sich hier hilfesuchend reinklicken:
Wenn ihr so ein "schwarzes" WMF-Teilchen habt - bitte, bitte, gar nichts machen, nicht putzen, nicht ätzen, nicht polieren, keine Silber-Chemie - gar nichts dran machen, einfach erst einmal so lassen wie es ist!
Das WMF-"I/O", vermutlich inzwischen hinlänglich bekannt als 1 g Feinsiber auf einen Quadratdezimeter Oberfläche, vielfach auch einfach als "i. O. / in Ordnung" interpretiert.
Die spannendere Frage ist: Was unterscheidet WMF-"as" und WMF-"OX" -punzierte Teile?
Die WMF beschreibt dieses in ihrem englischen Katalog von 1906 folgendermaßen:
"OX": "Oxidiert. Die eingeprägte Ornamentik wird mit einer "Schwefelkalilösung" geschwärzt und die flachen Stellen mit Bimsstein matt poliert." (Anm.: ja, tatsächlich, "Pumice" = Bimsstein, aber wohl eher ganz feines Pulver davon)
"as": "Antiksilber-Finish. Flache Flächen poliert, Relief-Ornamente oxidiert."
Kurz gesagt, während die chemische Oxidierung beider Ausführungen wohl gleich ist, werden die "Highlights" in der Versilberung bei "OX" mit Bimssteinpulver mattiert, bei "as" jedoch auf Hochglanz poliert.
Klingt beides erst einmal sehr viel einfacher, als es in der Ausführung oder Rekonstruktion tatsächlich ist, bzw. sein wird...
Die originale Vorgehensweise, wie die WMF seinerzeit das "OX" und das "as" (Antik-Silber/Old Silver-Finish) erzeugt hat, ist zwar nach wie vor etwas geheimnisvoll und meines Wissens nicht ausführlich belegt oder dokumentiert.
Ich habe viele Tipps, vorwiegend auch hier aus dem Forum, bekommen und sehr, sehr viel selbst "herumprobiert".
Das WMF-Verfahren für as/OX war wohl eher kein elektrochemisches, sondern "Schwefelkali", offensichtlich eine Mischung (unter größerer Hitze) aus Schwefel und Pottasche (Kaliumcarbonat), also ein Kaliumpolysulfid - heute eher bekannt als "Schwefelleber".
Und ja, man kann das WMF-schwarz tatsächlich auch rekonstruieren, etwas "tricky" - aber dazu bei Interesse ggf. mehr in einem anderen Thread - wir sind hier ja bei einem ca. 120 Jahre alten Original-schwarz.
Nun erst einmal genug getextet - hier, im ersten Aufzug, die Vorstellung, die Bilder vom "Eingangszustand" des Claret Jug (wg. der Menge der Bilder erfolgt der gesamte Post wohl in drei Aufzügen):

- WMF_No348_v_1.jpg (45.51 KiB) 5057 mal betrachtet

- WMF_No348_v_2.jpg (40.83 KiB) 5057 mal betrachtet

- WMF_No348_v_3.jpg (189.85 KiB) 5057 mal betrachtet

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