Einschätzung bezügl. eines Schranks

[Biggibo]

Hallo Zusammen,

zunächst einmal freue ich mich sehr, dass ich dieses Forum hier gefunden habe.

Falls möglich hätte ich gerne eine Einschätzung zu meinem Schrank. Folgendes könnte ich zur Einschätzung beitragen:

- Erbstück meiner Großeltern aus dem Münsterland, die den Schrank von einer Freundin, ebenfalls aus dem Münsterland, geschenkt bekommen haben
- Ich hatte mal ein englischsprachiges Buch über Antiquitäten in der Hand, in dem ein ähnlicher Schrank abgebildet war und mit 17 Jahrhundert, Renaissance, flämisch beschrieben wurde
- Höhe 163 cm, Breite 83 cm, Tiefe 47 cm

Was mich wirklich sehr interessiert ist, woran man festmachen könnte, dass es sich um einen Renaissance-Schrank bzw. um Historismus/2. Renaissance handelt. Es sieht nach Handarbeit aus, die Seiten der Schubladeunterseite "laufen nicht auf den Seiten", die Rückwand "sieht irgendwie alt aus". Gibt es grundsätzlich Renaissance- und Barockschränke, die an der Schranktür keine Beschläge haben? Wie nennt man es, wenn die Tür ohne Beschläge auskommt? Oder ist es doch "nur" ein Schrank, der nur wenige Jahre alt ist? Um welche Holzart handelt es sich wohl? Eiche?

Viele Fragen. Vielleicht kann mir ja Jemand bei der ein oder anderen Frage helfen.

Danke und Viele Grüße

Biggi
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[gerümpel]

Hallo Biggibo, das weißt du ja eigentlich schon alles über deinen Schrank! Ein prächtiger Stollenschrank im Stile der flämischen Renaissance. Derartige Schränke wurden in der Mitte und in der 2. Hälfte des 17. Jh. gefertigt. Anbei ein im Dekor und in der Gestaltung sehr vergleichbares Stück, das mit 1648 datiert ist. Typisch sind die Ebenholzeinlagen.
Nun ist es leider so, daß sich diese seltenen und sehr hochwertigen Möbel einer großen Beliebtheit erfreuten und im 19. Jh. zahlreich nachgefertigt wurden.
Ob es nun ein "Neo-"oder echte Renaissanceschrank ist, kann man nur am Original sicher erkennen. Nach dem Blick ins Innere würde ich zunächst auf Historismus tippen, das ist auch viel wahrscheinlicher.
Wie auch immer, es ist ein sehr hochwertiges und damit auch wertvolles Möbel.

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[Biggibo]

Danke Dir. Könntest Du mir sagen aus welchem Buch Du das Foto hast?

VG

[haindorf60]

Nabend

Ist Historismus. Ca. 19 Jhrd...

Sieht man deutlich an der Rückseite sowie am Aufbau

Viele Grüße
Robert

[Holuska]

huch - auf den ersten blick ... aber nein. es ist ein gut gebautes grundsolides
möbel aus dem letzen drittel des neunzehnten jahrhunderts.

was meinst du mit "tür ohne beschläge" meinst du, dass die tür kein schloß hat,
oder daß man die scharniere nicht sieht. wenn es um die scharniere geht, dann
wirst du diese sicher entdecken, wenn du oben und unten am drehpunkt der tür
schaust. da werden sie sich ziemlich sicher offenbaren als zur tür parallel laufende
ca. einen cm breite eisenstreifen. bei einem renaissanceschrank wären diese aber
als kiloschwere bänder innen an der tür zu sehen. allerdings sind diese wuchtigen
aber noch dezenten möbeln bei manchen leuten sehr beliebt und können mit
glück in der richtigen auktion schon mal 2500 euro kosten. aber versteife dich
jetzt bitte nicht auf den preis - es passeirt genauso gut das der schrank für 800
ewig beim händler stehen bleibt. es kommt immer darauf an, wer das wo an wen
verkaufen kann.

[thalasseus]

Moin @Gerümpel und alle,
entschuldigt, dass ich wieder auf diesen haarigen Begriffsfragen herumreite, aber vielleicht ist es für andere auch interessant, warum etwas so oder so bezeichnet wird...
Ich bin ja auch eher neu bei den Möbeln und mich würde interessieren, warum Schränke wie der von 1648 und der vorgestellte als Renaissance-Möbel gelten, wo Bau- und Bildkunst andernorts schon 'Hochbarock' genannt werden, auch nördlich der Alpen und in Flandern... (+ Rubens: 1640)??

Schon klar, Renaissance-Formen werden teils noch weit ins 17. Jahrhundert hinein verwendet, gerade in der norddeutschhen/niederl. u. ländlichen Architektur, etwa in der Weserrenaissance u.a. ([Gäste sehen keine Links]; [Gäste sehen keine Links]).
Aber: 1. wird das nach 1650 selten und 2. sehen die Fassaden dann auch anders ("barocker") aus (Ich vergleiche mal insbesondere die Erker ("Ausluchten") in den Links, da gibt es doch viel Vergleichbares zu Schrank-Fassaden... Und die Schränke, umdie es hier geht, unterscheiden sich nochmal von diesen Fassaden um 1600: stark "tektonisch" mit der Säulenordnung etc, starkes Relief/kräftig-blockhafte Teile, insgesamt sehr monumental etc. Das einzige, das ich noch sehr renaissancehaft finde ist, ist das kräftige, flächendeckende Schnitzwerk, - aber selbst das, wie im Fries, schon sehr bewegt und viel Relief.

[thalasseus]

ich hätte mir einen typischen Renaissance-Schrank eher so vorgestellt:
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- flächiger, weniger tektonisch (die Bildfelder nicht "in Superposition" übereinander, sondern versetzt) etc.
Dieser von 1610/20 ist dann schon monumentaler,
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sieht aber doch auch noch anders aus, mit der tollen Marketerie usw.
Geht aber auch auf die im 16. Jahrhundert entstandenen Vorlagen von Hans Vredeman de Vries zurück... In der Beschreibung enthalten sie sich denn auch der Renaissance-oder-Barock-Frage...
Vielleicht sollte ich mir diese Bücher auch mal zu Gemüte führen, @pikki (danke!).
Danke für die Geduld, thal

[gerümpel]

Sorry, ich vergaß den Titel des Buches nachzureichen. De Jong, Holländische Möbel und Raumkunst, 1922

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Ansonsten sind es natürlich Möbel aus der Barockzeit, logo! Der architektonische Stil mit Pfeilern, Pilastern und Rundbögen zitiert aber die Architektur der italienischen Renaissance und so werden dies Möbel meist als Renaissancemöbel bezeichnet. Derartige Möbel aus dem Historismus sind dann dementsprechend Neorenaissancemöbel ...