Hallo Maik und Glückwunsch zu diesem schönen Möbel! Diese Schränke werden als barocke Brotschränke bezeichnet und stammen zumeist aus dem 18. Jh. Dein Schrank ist aus Eichenholz gefertigt und ohne Leim nur mit Holznägeln gefügt. Auf den ersten Blick gibt es an der Datierung in die 2. Hälfte des 18. Jh. keine Zweifel. Gestaltung mit zwei Türen und Zwischenlade, Kufen, Schuppenmuster, die geschnitzten Blumen, Schlüssel, die Holzoberfläche alles passt.
Aber irgendetwas stimmt nicht. Bei etwas genauerer Betrachtung kann man einiges aufklären. Das Schloss und die Bänder (Scharniere) sind schon auf den ersten Blick als zweifelsfrei modern zu erkennen. Also ist an dem Schrank rumgebastelt worden. Der Zugknauf scheint auch neu zu sein. Vielleicht die ganze Lade? (Zeig doch mal Fotos von der Schublade, besonders die hinteren Ecken und den Boden. Auch die Rückwand wäre aufschlussreich.) Drei Details lassen mich zu dem sicheren Schluss kommen, das der ganze Schrank aus alten Einzelteilen vor nicht allzu langer Zeit neu zusammengebaut wurde. Rechts neben der Schublade sehe ich im beschnitzten (vermutlich alten) senkrechten Frontbrett eine verspachtelte Aussparung, die auf ein Türband an dieser Stelle im originalen Zusammenhang hindeutet. Bei beiden Türen fällt auf dass der Rahmen unterschiedlich breit ist. Jeweils die Unterseite ist sichtbar gestückelt und zu schmal. Die Innenseite der Tür lässt jeden Zweifel schwinden. An der Schlossseite sind bei genauem Hinschauen die Abdrücke und Nagellöcher von älteren Bändern zu sehen, an der (heutigen) Scharnierseite die Spuren eines Schlosses oder Riegels. Außen ist auch das verspachtelte Loch zu sehen, das aber nicht mittig sitzt. Die Tür wurde also mal von links auf rechts verändert. Vermutlich war es eine rechteckige Tür mit zwei Füllungen, die zersägt wurde. Ob sie überhaupt zu der Front gehören, kann man nicht mehr feststellen. Die Oberfläche wurde gelaugt und gebürstet und sieht heute sehr einheitlich aus.
Trotzdem gefällt mir der Schrank, auch wenn er nicht 100% original ist. Solche sog. Marriages sind nicht selten und bedienten in den 1970er Jahren die enorme Nachfrage zahlungskräftiger Kunden der Antiquitätenhändler und bescherten diesen gute Umsätze. Sicher nicht immer mit redlichen Absichten gefertigt, haben trotzdem damit viele schöne Möbelteile ein weiteres Leben bekommen, statt zum Altholz zu werden. Und heute sind die Möbel grundsätzlich so billig, viel billiger als Ikea-Spanplattenmöbel, dass sich die Frage nach absoluter Originalität nur dem Sammler stellt. Wenn man ihn einfach verwenden will, spielt das ja nicht so die Rolle. Der Umbau ist gut gemacht und der Schrank kann noch Generationen erfreuen.
Ich hoffe, du bist nicht enttäuscht...
